Mögliches Kopftuchverbot durch das neue Beamtengesetz

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, wie Sie mitbekommen haben, haben sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat den Gesetzesentwurf zum „Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten“ mehrheitlich verabschiedet. Wir möchten hiermit unsere Besorgnis und Enttäuschung über dieses Abstimmungsergebnis mitteilen. Als Musliminnen und Muslime und alle, die sich für die Anerkennung der Vielfalt einsetzen, bekümmert uns dieses Ergebnis und stimmt uns für die Zukunft unseres Landes pessimistisch. Menschen sollen durch diese Entscheidung gezwungen werden, einen Teil ihrer Identität bei der Ausübung ihres Dienstes für ihren Staat aufzugeben. Wir halten dies für einen Eingriff in die Religionsfreiheit.

Gläubige Sikh, jüdische Seelsorgerinnen, katholische Ordensschwestern und kopftuchtragende Musliminnen den Zugang zum Beamtenstatus zu verwehren oder durch solche Hürden zu erschweren ist kontraproduktiv für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes. Wir halten die Entscheidung daher als äußerst ausgrenzend und destruktiv für alle. So werden Frauen, die berufstätig und selbstständig sein möchten, aus dem Karriereleben ferngehalten.

Die mehrheitliche Auffassung der beiden gesetzgebenden Kammern hat das Potential, die Diversität, auf die Deutschland so stolz ist, zu verhindern. Auf der anderen Seite sahen und sehen weder Arbeitgeber – auch und gerade im öffentlichen Dienst – noch Juristen Handlungsbedarf, wenn eine kopftuchtragende Frau als Putzkraft tätig ist. Ist das die Position, die aufstrebenden, selbstbewussten und berufstätigen muslimischen Frauen in unserem Land gebührt?

Diese Entscheidung ist ein zutiefst politisches Urteil, das zudem Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremisten, Islamkritikern und Populisten bedeutet, die die muslimische Frau oft als Familienopfer darstellen. Gebildete Frauen, die aus Überzeugung Kopftuch tragen sind solchen Leuten fremd sowie unwillkommen. Sie konnten sich vor wenigen Tagen, als sie die Vertreterinnen des Sozialdienstes Muslimischer Frauen (smf) in Bonn empfingen, selbst ein Bild davon machen, welche Fähigkeiten Frauen mit Kopftuch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten. Wir möchten nicht in einem Deutschland Leben, dass Menschen aufgrund ihrer Religion und Weltanschauung aus dem gesellschaftlichen Leben fernhält. Wir sollten erkennen: Damit schaden wir uns in erster Linie selbst.
Daher bitten wir Sie, sich nochmals Gedanken über das Abstimmungsergebnis zu machen und dieses Gesetz nicht zu unterschreiben.
Hochachtungsvoll

Köksal Kuş
Vorstandsvorsitzender

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