Die politische und mediale Aufarbeitung des Putschversuchs verdient mehr Ausgewogenheit und Objektivität

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Mit tiefer Bestürzung und persönlicher Betroffenheit haben wir die Ereignisse in der Türkei zur Kenntnis genommen und verfolgen die Entwicklungen des versuchten Militärputsches. Die gegenwärtig weiterhin angespannte Situation veranlasst uns dazu, nicht nur die politische Lage zu analysieren, sondern auch die mediale Berichterstattung in Deutschland.

Bestimmend sind hier die Äußerungen wie:

  • „Putsch hinter dem Putsch“ oder „Rache der Sieger“
  • „Erdogan errichtet die Diktatur“ oder „Machtmissbrauch durch Erdogan“
  • „Die Demokratie in der Türkei ist endgültig hin“
  • „Die Todesstrafe kommt“….

Hinzu kommen die wildesten Verschwörungstheorien und Spekulationen sowie Mutmaßungen, welche dem Muster nach den 9/11-Anschlägen ähneln. Diese Art wird zusätzlich durch Schlagwörter und Titel derart untermauert, die von vorne herein Sachlichkeit vermissen lassen.

Bemühend um diese Sachlichkeit – trotz der stark emotionalen Betroffenheit – sollen hier die wichtigsten Punkte kurz dargestellt werden:

  1. Der versuchte Militärputsch und die Reaktion des Volkes

Am Freitag, den 15.07.2016 kurz nach 22.00 Uhr erhielten viele – auch Medienvertreter – Eilmeldungen, dass gerade von Teilen der Streitkräfte ein Militärpusch in der Türkei verübt wird. Nach völliger Fassungslosigkeit und der ersten Schockstarre wurde die Entwicklung dieser Nacht mit allen zur Verfügung stehenden Medien national und international verfolgt. Eine illegale Splittergruppe von Putschisten außerhalb der regulären Befehlskette verlas eine nicht autorisierte Mitteilung im staatlichen Fernsehen, in der von einer angeblichen Machtübernahme gesprochen wurde. Erst in diesem Moment wurde die Dramatik den Menschen in der Türkei und in Europa bewusst. Dem Aufruf des türkischen Staatspräsidenten Herrn Erdogan sind nicht nur Menschen in der Türkei gefolgt, sondern auch zahlreiche türkischstämmige europäische Bürger, die sich vor den türkischen Botschaften in Europa und öffentlichen Plätzen versammelten, um sich gegen den Militärputsch in aller Deutlichkeit entgegenzustellen. Mut und Tapferkeit hat vor allem das Volk in der Türkei bewiesen, denn sie haben unter dem Einsatz ihres Lebens den Putschisten Widerstand geleistet. Das ganze Volk ist auf die Straßen gegangen, weil es die leidvolle Erfahrung mit Militärputschen aus den Jahren 1960, 1971, 1980 und 1997 noch ganz genau in Erinnerung haben: Ermordungen, extralegale Exekutionen, Grausamkeiten, Armut sowie und Verfolgung der Minderheiten. Das türkische Volk hat diese Zeiten unter großen Opfern und Entbehrungen überstanden und stets sich für die Demokratie eingesetzt. Gerade in diesen aktuell schwierigen Zeiten des Terrorismus und der wirtschaftlichen Krisen kämpfen sie weiter. Dieser Putschversuch war ein barbarischer Akt gegen die Demokratie, Menschenrechte und verfassungsmäßige Ordnung der türkischen Republik. In der Hauptstadt Ankara und in Istanbul herrschten für mehrere Stunden chaotische Zustände, die nicht nur teilweise, sondern in Gänze an Bürgerkriegszustände erinnerten. Die Putschisten haben

  • Staatliche Medien besetzt und das Kriegsrecht ausgerufen sowie die Ausgangssperre verhängt
  • aus der Luft die Menschen beschossen und getötet
  • unmittelbar mit direkten Schüssen die Menschen hingerichtet
  • mit Panzern in die Menschenmengen gerollt
  • das Parlament und Polizeidirektionen angegriffen
  • versucht, den Staatspräsidenten, Regierungsvertreter, Parlamentarier und oberste Armeekräfte, die sich nicht am Putsch beteiligen wollten, zu ermorden.

Der Versuch, die demokratisch gewählte Regierung der türkischen Republik zu stürzen wurde gemeinsam mit dem VOLK verhindert. Es sind nicht nur Bürger in Istanbul und Ankara auf die Straßen gegangen, sondern entgegen der öffentlichen Darstellung in der europäischen Medienlandschaft haben sich insbesondere im Südosten der Türkei kurdischstämmige Bürger gegen den Putsch gestellt.

Bedauerlich ist, dass dieser Triumph des Volkes medial nicht genügend gewürdigt wurde und im Nachhinein sogar derart ohne sachliche Argumente derart kritisiert wurde, dass die Lesart aufkam, dass sie sich hinter die Putschisten und somit gegen ihren gewählten Staatspräsidenten hätten stellen sollen. Stets wird auch von „Erdogan-Anhängern“ gesprochen, jedoch zeigen die Demonstrationen und auch der weiterhin anhaltende Widerstand gegen einen erneuten Putschversuch, dass hier das ganze Volk sich gegen den Putschversuch stellt. Die Einheit des Volkes war vergleichbar mit dem Volksaufstand in der DDR 1989, was zur Einheit geführt hat. Auch hier haben Menschen gemeinsam gegen eine Diktatur Widerstand durch Demonstrationen geleistet, auch unter der Gefahr, dass auf sie geschossen wird. Kaum wahrzunehmen war ebenfalls, dass alle vier im Parlament vertretenden Parteien gegen den Putschversuch Stellung bezogen haben. Diese politische Einheit, dass eigentlich stellvertretend für die Haltung des ganzen Volkes in der Türkei und auch der hier in Europa lebenden türkischstämmigen Bürgern steht, wurde nicht gewürdigt.

  1. Ausnahmezustand, nicht Kriegsrecht!

Am 20.07.2016 wurde der Ausnahmezustand für drei Monate in der Türkei ausgerufen, ohne die grundlegenden Freiheitsrechte einzuschränken und vom Türkischen Parlament abgesegnet. Die hiesige Berichterstattung suggeriert die Ausrufung des Kriegsrechts in der Türkei. Dies ist jedoch nicht passiert, stattdessen erfolgte eine gleiche Reaktion wie in Frankreich mit dem Unterschied, dass in Frankreich aktuell eine Verlängerung um weitere 6 Monate erfolgte; damit wird der Ausnahmezustand in Frankreich zur Regel. Erschwerend kommt hinzu, dass die französische Regierung die Antiterrorgesetze verschärft hat! In Anbetracht der Dramatik der Geschehnisse und Erlebnisse ist dies eine angemessene und legitime Reaktion. Frankreich hat Terrorangriffe erlebt, Menschen wurden getötet, Polizisten hingerichtet und der Ausnahmezustand wurde erneut verlängert, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Nach der erhöhten Terrorgefahr in Europa ist auch ein Ausnahmezustand in anderen europäischen Ländern inzwischen denkbar.

Was heißt der Ausnahmezustand? Gibt es Unterschiede zwischen den Ausnahmezuständen?

Das Ziel des zeitlich begrenzten Ausnahmezustandes in der Türkei ist die Abwendung und Unterbindung weitere Terrorangriffe und der Schutz der Bevölkerung.

Auch hier gilt es im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die Demokratie und Volkssouveränität zu erhalten und zu schützen. Jedoch wird hier trotz gleicher Sachverhalte eine unterschiedliche Bewertung vorgenommen, so dass Gleiches ungleich behandelt wird. Wo bleibt der Gleichheitsgrundsatz unter Beachtung der Sachlichkeit? Hier wird mit zweierlei Maß gemessen! Ist der Ausnahmezustand in Frankreich gerechtfertigt, aber in der Türkei nicht? Ist der Terror durch DAESH reell, aber der Terror durch eine illegale sektiererische Splittergruppe innerhalb des türkischen Militärs nicht? Gibt es nur in Europa einen Zusammenhalt der Menschen in Terrorzeiten, egal welcher Nationalität, Abstammung oder Religion sie angehören, aber in der Türkei sind die Menschen gespalten?

Der anhaltende Protest in der Türkei gegen die Putschisten widerspricht den aktuell gerichteten Vorwürfen an dieses Volk.

  1. Organisation „Gülen-Bewegung“ – Drahtzieherin des Putsches

Die Organisation „Gülen-Bewegung“ verfügt über eine komplexe hierarchische Organisationsstruktur. Sie ist profitorientiert, mit dem Ziel durch omnipotente Wirtschaftskraft Einflussnahme auf die Politik und Wirtschaft auszuüben. Sie ist insbesondere in den USA und Deutschland sowie im restlichen Europa extrem vernetzt. Damit ähnelt sie der Scientology-Sekte, die in Deutschland unter der Beobachtung durch den Verfassungsschutz steht. Diese Einflussnahme besteht aus Erpressung durch Aufnahme von kompromittierenden Audio- und Videoaufnahmen der Privatsphäre von öffentlichen Personen, insbesondere Politiker, um so den Staatsapparat zu infiltrieren; aber auch Personen mit wichtigen Positionen in Wirtschaft, Gesellschaft und Medien sind Zielpersonen, nicht nur in der Türkei Seit 40 Jahren ist die Organisation Gülen-Bewegung in der Türkei aktiv. Seit nunmehr 20 Jahren auch in Deutschland. Sie ist die Hauptdrahtzieherin des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei.

  1. Verhaftungen

Die derzeit unmittelbar nach der Abwendung des Militärputsches durchgeführten Festnahmen haben das Ziel, das ganze Ausmaß zu erkennen und notfalls weitere Putschversuche zu unterbinden. In diesem Zusammenhang erfolgen Festnahmen in der Staatsverwaltung sowie im Justizsystem. Es ist kein Geheimnis, dass die Organisation „Gülen-Bewegung“ den türkischen Staatsapparat und das Justizsystem stark infiltriert hat. Die große Zahl der Festnahmen unmittelbar nach Abwendung des Militärputsches ist dem Umstand zu verdanken, dass gegen die festgenommen Personen bereits Anklageschriften in Vorbereitung waren mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Terrororganisation „Gülen-Bewegung“. Hinzu kommen die Umstände, dass die verhafteten Namen angaben und Kontakte über die sozialen Netzwerke ausfindig gemacht wurden. Es drohte Gefahr in Verzug. Auch hier in Europa werden im Rahmen der Terrorfahndung zahlreiche Verhaftungen durchgeführt und ganze Stadtteile abgeriegelt, um an die Verantwortlichen bzw. Drahtzieher heranzukommen. Wie wäre die Alternative zum Gefahr in Verzug? Wichtig ist nunmehr, dass den Festnahmen ordentliche und faire Gerichtsverfahren folgen. Die ersten Festgenommenen wurden bereits freigelassen, jedoch wird weiterhin lediglich von den Verhaftungen berichtet.

  1. Todesstrafe

Die Türkei hat im Jahre 2002 die „Todesstrafe in Friedenszeiten“ abgeschafft. Ferner wurde die Todesstrafe auch aus dem Militärgesetz im Jahre 2003 entfernt. In Griechenland, Lettland und anderen Ländern ist die Todesstrafe im Militärgesetz weiterhin enthalten. In der hoch emotional aufgewühlten Situation werden von der Bevölkerung Stimmen laut, die Todesstrafe wieder einzuführen. Hierzu wird sich das Türkische Parlament beraten. Der Beratungstermin steht noch nicht fest und auch die Entscheidung.

  1. Appell an die deutschen Medien:

“Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir sie aber nur dort, wo es uns beliebt.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

Über die politischen Vorgänge in der Türkei wird in Deutschland kontrovers und leidenschaftlich medial diskutiert; auch bestimmt die türkische Politik zunehmend die tagespolitische Debatte hierzulande aufgrund der Verflechtung von Innen- und Außenpolitik, wie es sich in einer demokratischen und pluralistischen Streitkultur gehört. Allerdings ist zunehmend zu beobachten, dass die Objektivität und die Differenzierung der türkeirelevanten politischen Diskussionsthemen stark nachlassen, siehe Flüchtlingsproblematik, Islamischer Staat, Diktatur in der Türkei etc. Gerade in dieser schwierigen Zeit ist festzustellen, dass in Gänze bei berichten die Sachlichkeit ganz außen vorgelassen wird. Die Folge ist eine negative Stereotypisierung der türkeirelevanten Themen in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit, die politischen Populismus Tür und Tor weit öffnet. Gerade jetzt erleben wir diese Entwicklung: In den deutschen Medien übernehmen Putschisten, die die Zivilbevölkerung erschießen und bombardieren, die Opferrolle. Der politischen Führung in der Türkei fällt folgerichtig die Täterrolle zu; u.a. mit der abenteuerlichen Legende von der Inszenierung des Putsches, um unliebsame politische Gegner loszuwerden. Nicht wenige haben den Erfolg des Militärputsches herbeigesehnt. Das ist nicht akzeptabel. Hier ist Solidarität gefordert, wie unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Verurteilung des Militärputsches ausdrücklich betont hat.

Es kann für uns alle nur eine Position geben: Der versuchte Militärputsch ist ein barbarischer und terroristischer Akt gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Türkei. Ausgangspunkt für die Bewahrung und Weiterentwicklung von Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind demokratische Wahlen, die den Willen des eigentlichen Souveräns zum Ausdruck bringen, nämlich des Volkes. Wohingegen durch Militärputsch der erzwungene Machtanspruch der Tyrannen getragen wird. Es gilt gemeinsam den Ereignissen gerecht zu werden und gemeinsam gegen den Terror aktiv zu werden.

Wir verurteilen auf das Schärfste den gescheiterten Militärputsch in der Türkei und stellen uns gegen

  • Einstufung des Militärputschs als ein geeignetes und angemessenes Mittel der Herrschaftsausübung gegen den Volkswillen
  • Bagatellisierung von Militärputschen
  • Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen von Militärputschen

Wir appellieren an die deutsche Medienlandschaft in ihrer kritischen Berichterstattung Ausgewogenheit und Objektivität zu wahren.

 

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